Justizwesen ohne Geld
Fijáte 260 vom 22. Mai 2002, Artikel 7, Seite 6
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Justizwesen ohne Geld
Guatemala, 16. Mai. "Bewilligt der Kongress keine Budgeterhöhung für das Justizwesen, beginnt es im Juni zu kollabieren", gab der Präsident des Obersten Gerichtshofs (CSJ), Carlos Alfonso Alvarez Lobos, bekannt. Konsequenz eines solchen Kollapses wäre die Einstellung von Lohnzahlungen an Angestellte und die Schliessung von Gerichten. Laut Finanzplan sollte das Justizwesen monatlich 34 Mio. Quetzales zur Verfügung haben, im Monat Mai wurden aber beispielsweise nur 19 Mio. ausbezahlt. Ingesamt verfügt der Justizapparat dieses Jahr über 391 Mio. Quetzales, 100 Mio. weniger als im Vorjahr. Zusätzlich mit selber erwirtschafteten Einnahmen ergibt sich ein Gesamtbudget von 822 Mio. Quetzales (ca. 100 Mio. US-$). Alvarez Lobos bezieht sich mit seiner Forderung nach mehr Regierungsgeldern sowohl auf die Friedensabkommen wie auf das Versprechen der Regierung gegenüber der Konsultivgruppe, das Justizwesen zu stärken. Da mit dem vom Staat überwiesenen Geld in erster Linie die Gehälter bezahlt werden, überlegt man sich nun, die Kosten gewisser administrativer Dienstleistungen zu erhöhen, um damit das Loch in den Kassen des Justizwesens etwas zu stopfen. Die PAN reagierte sofort auf diese Nachricht und reichte am 16. Mai mit 'nationaler Dringlichkeit' den Vorschlag ein, das Budget des Justizapparates umgehend zu erhöhen. Obwohl von allen Oppositionsparteien unterstützt, wurde der Vorschlag im Kongress nicht einmal diskutiert. Der FRG-Abgeordnete Mario Rivera erklärte bereits eine Woche zuvor, dass kein Geld vorhanden sei, um dem Justizwesen finanziell unter die Arme zu greifen. Die Gerichte seien mitschuldig, dass die Staatskassen leer seien, schliesslich hätten sie verschiedentlich Entscheide zu Gunsten von UnternehmerInnen gefällt, die einen Prozess wegen Steuerhinterziehung gehabt hatten. Nach oben |
KennerInnen des Themas haben aber eine andere Einschätzung über die Gründe der Weigerung der FRG, das Budget des Justizapparates zu erhöhen. Sie sehen darin vielmehr eine politische Revanche, weil nun doch noch die Möglichkeit besteht, dass die in die Fälschung des Alkoholgesetzes involvierten FRG-Abgeordneten zur Rechenschaft gezogen werden. Sie befürchten auch, dass durch die Schliessung von Gerichten im Landesinnern bzw. die Erhöhung der Kosten für juristische Dienstleistungen in erster Linie die indigene Bevölkerung benachteiligt würde, und dass als erstes Jugend-, Familien- und Arbeitsgerichte geschlossen würden. Auch Alvarez Lobos verteidigte die Autonomie der Gerichte und meinte: "Gerechtigkeit kann nicht erkauft werden. Lieber ein armes und kleines Justizsystem als ein abhängiges". |
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