Vom Umgang mit Lynchjustiz
Fijáte 234 vom 2. Mai 2001, Artikel 9, Seite 6
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Vom Umgang mit Lynchjustiz
Guatemala, 24. April. Zu je 100 Jahren Gefängnis verurteilt wurden in Totonicapán zwei Männer, die 1996 an der Ermordung von vier Personen durch Lynchjustiz beteiligt waren. Die Verurteilung und die Höhe der Strafe wurden von den Menschenrechtsorganisationen gelobt. Es sei damit ein Präzedenzfall geführt worden, meinte der Menschenrechtsprokurator Julio Arango Escobar und hofft, dass dies als abschreckendes Beispiel dient. Dass es aber nicht damit getan ist, oft willkürlich herausgegriffene Personen als TäterInnen oder Hauptverantwortliche in einem Fall von Selbstjustiz zu hohen Strafen zu verurteilen, zeigen die Beispiele der Gemeinden Senahú und El Estor: In Senahú wurde vor ca. 6 Wochen der Richter des Dorfes von einer aufgebrachten Menschenmenge gesteinigt, nachdem zuvor sein Haus während einer Nacht lang belagert worden war. Dem Richter wurde vorgeworfen, einen Mann auf Kaution freigelassen zu haben, der ein Mädchen gefesselt und hinter seinem Karren hergezogen hatte. Der Vorfall hatte zur Folge, dass die polizeilichen und juristischen Kräfte aus dem Dorf abgezogen wurden. Seither sei eine Stimmung der Unsicherheit und des Im-Stich-gelassensein in der Bevölkerung zu spüren, ausserdem habe die Delinquenz stark zugenommen, gab der Bürgermeister von Senahú, Javier Teni, bekannt. Deshalb berief er eine öffentliche Versammlung ein, zu der er VertreterInnen der sozialen Organisationen einlud sowie die Hilfsbürgermeister der umliegenden Dörfer, VertreterInnen der Regierung, der Polizei, des Militärs und von MINUGUA. Das Ziel dieser Versammlung, an der rund 500 Personen teilnahmen, war, gemeinsam als Zivilgesellschaft die Rückkehr der Polizei und die Zuteilung eines neuen Richters zu fordern. Weiter sprach sich die Versammlung gegen die Idee aus, eine Art Bürgerwehr aufzustellen, die die Sicherheit in der Gemeinde garantieren sollte und bat das in der Nähe stationierte Militär um häufigere Patrouillen in der Umgebung. Nach oben |
Um es gar nicht erst so weit kommen zu lassen, haben rund 10'000 BewohnerInnen aus zwölf Gemeinden im Departement Izabal einen Vertrag unterzeichnet, in dem sie sich verpflichten, den Rechtsstaat zu respektieren und nicht zum Mittel der Selbstjustiz zu greifen. Die Initiative wurde vom lokalen Menschenrechtsprokurator und den Nachbarschaftskomitées unterstützt. Der Vertrag wurde in Q'eqchi' geschrieben und auf spanisch übersetzt. "Wir wollen nicht, dass sich der Name unserer Gemeinden mit Blut befleckt", sagte der Bürgermeister von El Estor, Miguel Choc Bac. Seit über einem Jahr wird in den Gemeinden Bewusstseinsarbeit betrieben und die Leute werden dazu angehalten, Verbrecher und Diebe der Polizei zu übergeben. Es sei verständlich, dass der Bevölkerung manchmal der Geduldsfaden reisse, liege doch oft der nächste Polizeiposten weit und würden dort die Täter sofort wieder freigelassen, meinte Choc Bac. Die Polizei der Gemeinde El Estor sei oft gezwungen, einen Helikopter zu mieten, um innerhalb nützlicher Zeit an den Ort eines Verbrechen zu gelangen und rechtzeitig das Eingreifen der erzürnten Bevölkerung zu verhindern. |
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