Überlebende treten in ihre eigene Geschichte ein
Fijáte 466 vom 18. August 2010, Artikel 2, Seite 3
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Überlebende treten in ihre eigene Geschichte ein
von Larry Kaplow (GlobalPost, 3. Juni 2010)Panzós, Guatemala - Hunderte von BäuerInnen, LehrerInnen und SchülerInnen füllten einen kleinen Gemeindesaal um eine US-amerikanische Autorin zu sehen, die ihr Buch präsentiert, das von dem entsetzlichen Massaker erzählt, das vor 32 Jahren genau an diesem Ort stattfand. Sie machten sich Notizen und scannten die Seiten, um ihre Geschichte gedruckt zu sehen. Viele kauften ein Buch, das, auch wenn auf wenige Dollar herabgesetzt, einem Tageseinkommen entsprach. Der Spuk der Vergangenheit wurde überbrückt, als Maria Maquin, eine der berühmtesten Überlebenden, das Mikrofon nahm und lautstark zum Widerstand gegen den aktuelle Antrag auf die Errichtung einer Militärbasis in der Nähe aufrief. "Wenn Soldaten kommen, dann kommen sie, um zu töten", warnte sie in klaren Worten, die sie früher zu einer Zielscheibe der Repression hätten werden lassen - und vielleicht auch noch heute. Die Präsentation des Buches "La Masacre de Panzós" von der New Yorker Anthropologin Victoria Sanford am Ort des damaligen Geschehens war sinnbildlich für den Schwierigkeit Guatemalas auf dem Weg von den gewaltsamen Diktaturen der Vergangenheit zu einer (aktuell noch nicht) funktionierenden Demokratie. Es ist wahr, das angstvolle Schweigen über die Vergangenheit ist schon lange gebrochen. Die Buchpräsentation brachte SchülerInnen busweise in die Stadt, um eine Diskussion zu verfolgen über das Töten, das nur wenige Schritte von dem Ort entfernt, an dem sassen, stattgefunden hatte. Ein paar ehemalige Gueriller@s waren auch anwesend und auf dem Marktplatz, auf der DemonstrantInnen gegen die Militärbasis marschierten , hing ein Banner von Che Guevera, welches das "Heroische Panzós" pries. Aber die Mörder wurden nie zur Rechenschaft gezogen. Es gab bisher nur wenige hochrangige Verurteilungen von Militärs wegen Kriegsverbrechen. Im Allgemeinen aber herrscht das Klima der Straffreiheit. Es gibt schon seit längerem Bücher über Panzós, aber die Überlebenden waren elektrisiert von der Möglichkeit, Gastgeber dieser Buchpräsentation zu sein. "Es ist so fantastisch", sagte Matilde Caal, die ihre Kindheit auf der Flucht verbrachte, nachdem ihre Verwandten in den frühen 1980er Jahren verschwanden. Sie ist nun Gesundheitspromotorin. Sie kaufte zwei Bücher für ihre Nichten und Neffen. "Sie mussten das Buch hier vorstellen, damit die Kinder wissen, was passiert ist. Nicht nur in Panzós, sondern überall." Einige der etwa 500 SchülerInnen, die den Saal füllten, sagten im Interview, dass sie bis heute niemals von einen Massaker gehört hatten, obwohl sie aus Dörfern kämen, die nur wenige Kilometer entfernt liegen. Einige in Guatemala, vor allen in den städtischen Regionen, streiten die "Kampagne der verbrannten Erde" während des 36-jährigen Krieges nach wie vor ab. Die Veranstaltung war für die Autorin Sanford eine Art Heimkehr. Sie war Mitglied eines Teams von ArchäologInnen, die 1997 Massengräber des Massakers exhumierten. Sie hatte seit 1990 Forschungen in Guatemala unternommen, aber sie war nicht mehr im Land, seit sie 2007 Todesdrohungen erhalten hatte. Nach oben |
Ihr Buch wurde mit Hilfe der Soros Stiftung in Guatemala veröffentlicht. Eine lokale LehrerInnenvereinigung lud sie ein, um das Buch gemeinsam mit einem Podium aus AutorInnen und WürdenträgerInnen in Panzós vorzustellen. Die Präsentation (siehe Spanisch und in Kekchi durchgeführt. "So lange sich die Gesellschaft organisieren kann, besteht Hoffnung", sagte Sanford auf die Frage, was ihr bei ihrer Rückkehr nach Panzós aufgefallen sei. "Aber eine Militärbasis zu bauen, unterstützt nicht die fortwährende Organisierung einer Zivilgesellschaft." |
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