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Perspektiven des Widerstandes

Fijáte 401 vom 9. Jan. 2008, Artikel 5, Seite 5

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Perspektiven des Widerstandes

Statement aus dem Publikum: Die Arbeit, die medico international auf der medizinischen Ebene macht, ist für alle Länder in Lateinamerika sehr wichtig. Ich bin nicht ganz einverstanden mit der These, dass es kein Rezept gibt, sondern mein Rezept ist der globale Widerstand. Es ist wichtig und nötig, dass wir uns alle gegen das herrschende Wirtschaftssystem wehren. Solidarität mit Zentralamerika ist zweifellos wichtig, aber es ist auch wichtig, dass wir solidarisch sind mit den Menschen, die hier in der Schweiz leiden. Die Rechte ist auf dem Vormarsch, die Ausländerfeindlichkeit nimmt zu, und darum ist nicht nur der Blick nach aussen wichtig, sondern auch die Solidarität mit den Menschen hier. Solidarität ist das Bauen von Brücken als das Verbinden von Welten.

Statement aus dem Publikum: Es ist nicht unbedingt nötig, dass wir uns gegenseitig die offene Türen einrennen. Was hier gesagt wurde über Widerstand und die Solidarität mit Venezuela: natürlich! Das Recht auf Widerstand, auf bewaffneten Widerstand gegen den Imperialismus, die Notwendigkeit gegen diese Faschisierung, die unsere Gesellschaft immer mehr ergreift, zu kämpfen, das ist klar. Heute ist in verschiedenen Beiträgen sehr viel Gewicht auf psychische Momente gelegt worden, wie Widerstand in kleinen Ansätzen umgesetzt werden kann, hier an der Basis, dort an der Basis. Ich selber bin etwas im Clinch, denn wir haben ein Problem, das nicht gelöst ist: wie bringen wir den grossen Widerstand für das Recht auf Leben und den sogenannt kleinen Widerstand, nämlich wie Blockierungen aufgelöst werden, wie wir mit Schmerzen umgehen etc., so zusammen, dass es stimmt, dass es nicht so nebeneinander her besteht. Ich habe keine Antwort darauf. Es gibt die klassischen zwei Gefahren: das eine ist die Analyse, die Linie, die Strategie, der Aufbau. Das andere ist natürlich auch sehr wirkungsvoll: "small is beautiful" - da haben wir noch ein Ansätzchen und dort können wir noch etwas herauspflücken und dann sind alle ungeheuer happy.

Miguel Moerth: Ich glaube, dass wir gerade in Post-Konflikt-Länder unglaublich viel Geduld und einen unglaublich langen Atem haben müssen. Es braucht viele kleine und geduldige Schritte, eine ewige Ameisenarbeit. Wir haben in Guatemala zum Beispiel einen ersten Prozess wegen eines Massackers 1999 gehabt, ein zweiter Prozess findet am 12.12.2007 statt. Es braucht viele kleine Schritte, um sich dann irgendwann mit anderen zu vernetzen, damit sie ins grosse Gemeinsame gehen. Dazu braucht's sowohl individuelle wie gesellschaftliche Strategien.

Ursula Hauser: Ich erlebe diese Spaltung zwischen "Klein = beautiful" und "Gross = politisch" nicht mehr so stark. Vor etwa 30 Jahren hat man in der Linken Psychoanalyse oder Psychodrama wenn nicht mit grossem Misstrauen oder gar direkter Abwehr einfach nur als kleinbürgerliche Ideologie angesehen und als gar nicht nützlich für den politischen Kampf. Inzwischen ist diese Spaltung nicht mehr so gross, obwohl sie noch existiert, aber jetzt ist klar, dass das Subjektive auch politisch ist. Das hat die Frauenbewegung bewirkt mit ihrer Forderung "das Persönliche, das Private ist politisch". Das bedeutet: das Individuelle ist nicht vom Sozialen zu lösen und das Soziale nicht vom Politischen. Wir linken PsychoanalytikerInnen wissen ganz klar: es geht nicht ohne das Subjektive, aber nur das Individuelle anzuschauen, ist absolut nicht unser Ziel. Und dann ist noch der Faktor Zeit: weil alle gründlichen Prozesse viel Zeit brauchen, damit wir nicht nur Symptombekämpfung machen.

Yolanda Aguilar: Ich glaube, Ihr habt heute zwei Sichtweisen auf Guatemala kennen gelernt, zwei Perspektiven, die sich ergänzen. Ich sehe auch keine Trennung zwischen dem kleinen Individuellen und dem grossen Nationalen. Diese ideologische Trennung findet nur in den Köpfen statt und hat uns auch daran gehindert, die Komplexität dieser Prozesse wahrzunehmen. Ich habe dieses Jahr Frauen der VGdeutschenNF Organisation medica mondiale kennengelernt, die psychosoziale Arbeit macht zur Traumabewältigung in Bosnien und Afghanistan. Eine Therapeutin, Maria Zemp, gab mir auf die Frage, was es braucht, damit die Frauen zu Protagonistinnen ihres eigenen Lebens werden, die Antwort, dass es nötig sei, dass alle Personen, die mit traumatisierten Menschen arbeiten, sich hinterfragen und bewusst werden müssen, wo wir unsere eigenen Traumatas haben.

- Und diese Frage muss sich auch die Solidarität stellen.


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