Castresana: Den Unberührbaren zu nahe getreten
Fijáte 463 vom 23. Juni 2010, Artikel 2, Seite 3
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Castresana: Den Unberührbaren zu nahe getreten
Der Rücktritt von Carlos Castresana als Leiter der Internationalen Kommission gegen Straflosigkeit in Guatemala CICIG und die Untersuchungen, die zur Verhaftung der intellektuell Verantwortlichen am Mord von Rodrigo Rosenberg führten, beweisen, dass Castresana den vermeintlich Unberührbaren zu nahe getreten ist. Im Rahmen dieser Verhaftungen wurde nämlich ein Plan aufgedeckt, mit dem die CICIG und ihr Leiter hätten sabotiert und diskreditiert werden sollen. Und er belegt einen engen Zusammenhang mit der Wahl des Generalstaatsanwaltes, gegen die sich Castresana vehement ausgesprochen hatte. Verhaftungen im Fall RosenbergAm 7. Juni gab der Leiter der CICIG, Carlos Castresana, seinen Rücktritt bekannt (siehe ¡Fijáte! 462). Am 9. Juni wurden Mitglieder von renommierten guatemaltekischen Familien verhaftet bzw. Haftbefehle gegen sie ausgestellt. Verhaftet wurden Juan Miguel Fuxet Ciani und Nicolaid Julio Rodolfo Ibarra Figueredo, denen Verschleierung einer Straftat vorgeworfen wird. Beide werden verdächtigt, die Brüder José Estuardo und Francisco José Valdés Paiz gedeckt und begünstigt zu haben, welche als die intellektuellen Täter des Mordes an Anwalt Rosenberg gelten und flüchtig sind. Belegt werden diese Vermutungen mit den Einträgen in der Agenda von Fuxet Ciani, die bei einer Hausdurchsuchung des Laboratorio Lanquetín gefunden wurde. Das Laboratorio gehört den Brüdern Valdés und Fuxet Ciani arbeitete dort als Buchprüfer. In der Agenda standen Sätze wie "Castresana hat Beweise gegen sie", "Castresanas Geliebte" und "Man muss seine Schwächen rausfinden, um ihm den Schwanz zu zerquetschen". Ebenfalls stand dort "Die Richterin ist uns gut gesinnt, aber sie ist 100% Castresana und führt seine Befehle aus". In der Agenda fanden sich auch Angaben über den Kauf von Geschenken für drei Anwälte, die sich zur Wahl als Generalstaatsanwalt stellten, unter anderem für Conrado Reyes, der später dann auch gewählt wurde. Auch bei der Durchsuchung des Hauses von Alejandra Moreno Botrán de Valdés wurden Beweise für eine Konspiration gegen Castresana und die CICIG gefunden. Bei der Bekanntgabe seines Rücktritts am 7. Juni erklärte Castresana, es gäbe eine Verleumdungskampagne gegen ihn, die von kriminellen Gruppen lanciert werde, welche die besten Kommunikations-Leute dafür angestellt haben. Wer steckt hinter der Konspiration gegen CastresanaEiner der Verhafteten ist Nicolaid Julio Rodolfo Ibarra Figueredo, ein anerkannter PR-Mann, der früher in der Kommunikationsabteilung von Ex-Präsident Berger arbeitete und heute für die Öffentlichkeitsarbeit der oppositionellen Partido Patriota zuständig ist. Unklar ist, ob auch das Radioprogramm "Hablando Claro" des Journalisten und Anwalts Mario David García Teil der Konspiration gegen Castresana ist. García war jener Freund Rosenbergs, der ihm bei der Aufnahme des berühmten Videos half und dieses dann unter die Leute brachte. Er sprach in seiner Radiosendung eine Woche vor Castresanas Rücktritt zum ersten Mal über eine potentielle Geliebte und über Untersuchungen, welche die UNO gegen den CICIG-Mann führe. Castresana und die UNO verwehren sich gegen diese Behauptung. Ein Haftbefehl ausgestellt wurde auch gegen Diego Moreno Botrán, den Bruder der obengenannten Alejandra und Bruder von José Manuel Moreno Botrán, dem ehemaligen Generaldirektor des Flughafens von Guatemala Stadt unter Oscar Berger, der später von Alvaro Colom entlassen wurde. Die Gebrüder Botrán gehörten zu der Delegation von 25 guatemaltekischen Geschäftsleuten, die im August 2009 nach Honduras reisten, um dem dortigen Putschpräsidenten Roberto Micheletti die Ehre zu erweisen und ihm ihre Unterstützung zu versichern. Die Moreno Botráns sind Cousins der Brüder Valdés. Die Rolle des Generalstaatsanwalts und seiner EntourageDie Person des Generalstaatsanwaltes ist für die Verdeckung des Falls Rosenberg, aber auch für die Straflosigkeit anderer korrupter und krimineller Verbrechen, eine Schlüsselperson. Entsprechend wichtig war es für klandestine Gruppen, eine Person ihres Vertrauens auf diesem Posten zu haben, und entsprechend weit gingen sie, dies auch zu erreichen. Castresana versuchte seit Beginn des Wahlprozederes den Finger darauf zu halten, dass die KandidatInnen ihre Finanzen und Beziehungen transparent machen müssten und sprach sich wiederholt gegen verschiedene KandidatInnen aus - darunter auch Conrado Reyes. Castresana wies darauf hin, dass Reyes, einmal zum Generalstaatsanwalt ernannt, sofort jene Spezialabteilung der Staatsanwaltschaft, die eng mit der CICIG zusammenarbeitet, unter Kontrolle nahm. Er ordnete an, dass sämtliche Haft- und Durchsuchungsbefehle über seinen Schreibtisch zu laufen hätten, und wechselte einen Teil des Personals mit Leuten aus, die ihm loyal sind. So setzte er zum Beispiel Edna Barco wieder ein, die entlassen wurde, weil sie Informationen über ein Narco-Massaker in Zacapa durchsickern liess, oder Zoraida Samayoa, die Informationen im Fall des Ex-Staatsanwalts Alvaro Matus weitergab. Matus wurde im Zusammenhang mit der Ermordung von Víctor Rivera, dem ehemaligen Beraters des Innenministers, abgesetzt. Nach oben |
Seine Sicherheit übergab Reyes an Osman Contreras und an Juan Roberto Garrido. Contreras ist ein Ex-Militär, der Carlos Quintanilla nahe steht, welcher wiederum für den bis heute unaufgeklärten Abhörskandal im Präsidentenpalast verantwortlich ist. Garrido wird des Drogenhandels bezichtigt und ist in den "Jahrhundert"-Diebstahl der 9 Millionen US-$ im Flughafen La Aurora verwickelt. Dieser Überfall geschah im Jahr 2006, just als José Manuel Moreno Botrán Generaldirektor des Flughafens war. Garrido war damals Chef der Flughafensicherheit und wird von Castresana laut einem Bericht der Zeitung Siglo XXI auch mit dem Mord an José Manuel (Pepe) Méndez Dardon, dem Sohn des Menschenrechtsaktivisten Amilcar Méndez (siehe ¡Fijáte! 395 und 441) in Verbindung gebracht. Wie weiter?Der Rücktritt von Carlos Castresana hat ein mittleres politisches Erdbeben ausgelöst. So sehr, dass sich das Verfassungsgericht gezwungen sah, den Generalstaatsanwalt sofort abzusetzen und den Wahlvorgang als ungültig zu erklären. Gleichzeitig versprach Colom der CICIG seine volle Unterstützung und erklärte öffentlich, dass er den Beweisen, die Castresana gegen Reyes vorgebracht hatte, voll und ganz traue. Derweil übernahmen die von Reyes abgesetzten Personen innerhalb der Staatsanwaltschaft wieder ihre Ämter. Zur Sicherheit wurde die Staatsanwaltschaft während dieser Übergangszeit in den Nächten von der Polizei bewacht, um zu verhindern, dass Dokumente verschwinden. In dieser Situation der Unsicherheit und des Misstrauens, wurden drei Tage nach dem Rücktritt von Castresana, am Morgen des 10. Juni, an verschiedenen Orten in der Hauptstadt zerstückelte Menschen gefunden. Als erstes um 5 Uhr morgens ein Kopf auf der Treppe, die zum Kongress führt, danach im Verlauf von 5 Stunden weitere drei Köpfe und zwei Körper. Die ersten drei "Fundstücke" trugen Botschaften auf sich, in denen die Sicherheitskräfte beschuldigt wurden. "Dies geschieht wegen der schlechten Behandlung der Gefangenen in den Gefängnissen. Wenn es so weitergeht, machen wir dafür den Innenminister und den Chef des Gefängniswesens verantwortlich", hiess es auf einer der Botschaften. Einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen diesen makabren Funden und dem Rücktritt von Castresana gibt es nicht. Aber es ist eine klare Botschaft von Seiten jener, die sich der Straflosigkeit ihrer Verbrechen nach wie vor sicher sind und dies auch nochmals demonstrieren wollten. Bis Redaktionsschluss war die Nachfolge von Castresana noch nicht bekannt. |
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