Das schwarze Gift des Dschungels
Fijáte 231 vom 21. März 2001, Artikel 2, Seite 1
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Das schwarze Gift des Dschungels
Öl verseucht Urwalddörfer"Alles für die Umwelt"Von Andreas Boueke Petén, Guatemala. Das Flugzeug landet auf einer Rasenpiste mitten im Urwald. Wir werden vom Gesang zahlloser tropischer Vögel und dem Heulen eines Brüllaffen begrüsst. Neben mir in der Maschine sitzen mehrere Mitarbeiter des Energiekonzerns BASIC RESOURCES, ein Subunternehmen des US-amerikanischen Multis UNION PACIFIC RESOURCES. BASIC ist eines der grössten und einflussreichsten Unternehmen in Guatemala. Endlich kann ich die Ölförderstation Xan betreten. Es hat mehrere Wochen gedauert, bevor der Präsident von BASIC, Rodolfo Sosa, meinem Ersuchen eines Interviews stattgegeben hat. Er machte mir das Angebot, für mich eine Reise in den Urwald zu organisieren: "Sie sollen selber sehen, welches unsere vorrangigen Ziele sind. Zuerst kommt die Sicherheit des Personals und der Gemeinden in der Umgebung. Aber eigentlich hat der Umweltschutz bei allen unserer Aktivitäten die höchste Priorität." Innerhalb kürzester Zeit ist mein Hemd nassgeschwitzt. Die feuchte Hitze weicht meine Gedanken auf. Längst habe ich die Warnungen von Magalí Rey Rosa verdrängt, eine kämpferische Gegnerin der Ölindustrie in Guatemala: "Wenn wir die materiellen Vorteile mit den ökologischen Schäden vergleichen, dann wird deutlich, dass es eine selbstzerstörerische Dummheit ist, im Urwald Öl zu fördern." Wir betreten die Büroräume der Förderstation. Die Angestellten von BASIC sind sehr freundlich zu mir. Ich bin dankbar für die Kekse und Erfrischungsgetränke, die mir angeboten werden. Der Verantwortliche für industrielle Sicherheit, Italo Maroquín, führt mich auf einen Gang über die Anlage. Die Atmosphäre ist geprägt von dem Kontrast zwischen den modernen Maschinen und der tropischen Flora, die uns umgibt. Was ich jedoch nicht zu sehen bekomme ist Öl, kein einziger Tropfen. Die schwarze Flüssigkeit verbirgt sich in sauberen Silos und zahllosen dicken Leitungen. Lächelnd erklärt mir Italo Maroquín: "BASIC muss internationale Gesetze befolgen, die von uns sehr streng gehandhabt werden. Außerdem begutachten uns mehrere Institutionen. Sie kommen ständig hierher. Gott sei Dank haben wir bisher noch kein Problem gehabt." Auf dem Weg zurück in die Büroräume treffen wir Aroldo Ortiz, einen Kontrolleur des Energieministeriums. Ihm gefällt die Arbeit im Regenwald: "Wir vom Ministerium achten darauf, dass die Umwelt nicht geschädigt wird. Ausserdem hat das Unternehmen ein sehr gutes Naturschutzprogramm durchgesetzt." Flecken säubernEinen Moment lang ergibt sich die Möglichkeit, dass ich mich allein mit einem jungen Arbeiter unterhalte. Ich frage ihn nach Lecks in den Ölleitungen. "Einmal habe ich bei der Reinigung eines Lecks beim Bohrloch Xan 12 mitgearbeitet," erzählt er. "Ein Tank ist aufgebrochen und säurehaltiges Wasser herausgespritzt. Es ist so viel Öl ausgelaufen, dass eine grosse Pfütze entstanden ist." Als ich den Techniker Pablo Carera nach solchen Lecks frage, erläutert er mir gelassen: "Soetwas wird es immer geben. Wir arbeiten mit Öl, da ist das nicht zu vermeiden. Aber wir geben unser Bestes. Wenn irgendwo ein Fleck ist, wird er gleich gesäubert, damit es zu keiner Verschmutzung kommt. Wir beseitigen das ganze Material und deponieren es im Sondermüll." Ich verbringe die Nacht in einem bequemen Gästezimmer mit Kühlsystem und TV-Kabelanschluss, umgeben von der gleichmässigen Melodie tropischer Vögel, Frösche und Grillen. Am nächsten Tag besuchen wir die Bohrlöcher. Italo Maroquín zeigt mir mehrere Stellen, an denen bis zu sechshundert Meter tief gebohrt wurde, um das Öl aus der Erde zu pumpen. Während der Bohrphase mussten viele Wege geschlagen und Bäume gefällt werden. Das Bemühen des Unternehmens um Wiederaufforstung ist offensichtlich. Mireya Achila, die Verantwortliche für das Umweltprogramm von BASIC und ehemalige Direktorin der staatlichen Umweltbehörde CONAMA ist zufrieden mit der geleisteten Arbeit: "Ich trage meinen Teil dazu bei, dass sich diese Industrie im Rahmen von Umweltschutzauflagen entwickelt, die von der Gesellschaft akzeptiert werden. Selbstverständlich bedeutet jede menschliche Aktivität eine gewisse Einflussnahme auf das Ökosystem, mal positiv, mal negativ. Aber man kann alle Arbeiten durchführen, solange angemessene Schutzmaßnahmen beachtet werden." Nach zwei Tagen verlasse ich die Bohrstation Xan. Es war ein interessanter Ausflug in die Tropen. Vom Flugzeug aus betrachte ich die Dschungelregion Petén. Die Entwaldung ist offensichtlich. Häufig sind es arme Kleinbauern, die aus dem Hochland hierher kommen. Auf ihrer Flucht vor dem Elend folgen sie den Wegen, die von den Ölfirmen geschlagen wurden. Sie lassen sich mitten im Regenwald nieder, fällen Bäume und bauen Mais an. Doch sobald die dünne Humusschicht des tropischen Bodens zerstört ist, müssen sie weiterziehen. Nach ihnen kommen die Rinderzüchter. Auf dem Land, das einstmals von einer dichten Flora und Fauna bedeckt wurde, grasen heute Hunderttausende Rinder. Rodolfo Sosa hat mir gesagt: "Ich bin Guatemalteke und ich bin überzeugt von dem was ich tue. Ich glaube, dass ich es gut mache, genauso wie meine Mitarbeiter." Ob das wohl stimmt? Ich entscheide mich, eine weitere Bohrstation zu besuchen, diesmal ohne dass mich die Leute von BASIC kontrollieren. RubelsantoDie Station Rubelsanto im Norden des guatemaltekischen Bundesstaats Alta Verapáz ist älter als die in Xan. Die Anreise ist schwierig. Ich fahre viele Kilometer über schlammige Wege, entlang der Ölpipeline von BASIC, die zumeist oberirdisch durch den Dschungel führt. Manchmal komme ich nur dank des Vierradantriebs meines Geländewagens weiter. Ich erreiche Rubelsanto im Dunkeln. Einige Hütten haben elektrisches Licht, andere verlieren sich in der Nacht. Die Station von BASIC aber ist schon von weitem zu sehen. Sie wird von Scheinwerfern hell erleuchtet. Die einzige Herberge in dem Gebiet befindet sich in Playitas, einem Dorf wenige Kilometer entfernt von Rubelsanto. Es gibt zwar kein fliessend Wasser, dafür aber brauchbare Moskitonetze über den Betten. Der Strom für das Dorf wird von Dieselmotoren produziert, deren Lärm mich nicht schlafen lässt. Erst um Mitternacht erlischt plötzlich alles - die Lichter, die Musik, die Motoren. Es bleibt nur die Stille des Dschungels, die Stille des Gesangs von Heuschrecken und Nachtvögeln. Am Morgen suche ich nach InterviewpartnerInnen: der Gemeindevorsteher, Mitglieder des Dorfrats, Personen auf der Strasse. Offenbar spricht niemand gern mit Fremden über "la compañía" - so nennen sie den Konzern BASIC RESOURCES. Ich versuche mein Glück in der Gesundheitsstation des Unternehmens, die ihre Dienste auch der Bevölkerung zur Verfügung stellt. Der Krankenhelfer Manuel Estrada gibt mir bereitwillig ein Interview. An dem Konzern hat er nichts auszusetzen, dafür aber umso mehr an den BewohnerInnenn der umliegenden Gemeinden: "Das Problem ist, dass es ihnen an Bewusstsein für die Wiederaufforstung fehlt. Das Unternehmen versucht, sie aufzuklären." Nach dem Interview schenkt er mir Medikamente gegen Malaria. Vor dem Eingang zum Wohnblock der Angestellten von BASIC sitzen zwei Männer auf einer einfachen Holzbank. Als ich sie anspreche, bieten sie mir einen Platz an. Sie warten darauf, von dem Unternehmen angeheuert zu werden. Ab und zu vergibt BASIC zweiwöchige Arbeitsabschnitte, sogenannte "planes". Ein "plan" entspricht ununterbrochen vierzehn Tage lang zwölf Stunden Arbeit. Der Lohn liegt bei 500 DM. Für die Anwohner von Rubelsanto ist ein "plan" wie ein Lottogewinn. Einer der beiden Männer, der seinen Namen nicht nennen möchte, wartet schon seit zwanzig Tagen vor dem Tor. Er hat früher öfters für BASIC gearbeitet, bis er wegen einer Arbeitsverletzung aufhören musste. Er hätte um eine Entschädigung streiten können, zieht es aber vor, die lokalen Chefs nicht zu verärgern, damit sie ihm in Zukunft wieder Arbeit geben. Er schimpft ein wenig: "Wir arbeiten hier nur als Aushilfen. Die besten Anstellungen bekommen Leute, die von weither kommen, aus der Hauptstadt oder anderen Städten." Der zweite Mann heisst Cristobal Peréz. Er ist gut gelaunt und freut sich über das Interview. Er erwartet nicht wirklich, dass er angeheuert werden wird. Nur zwei Leute im Dorf haben eine feste Arbeit auf der Bohrstation. Cristobal Peréz sagt, er habe in den vergangenen fünfzehn Jahren nur zwölf Arbeitsabschnitte bekommen: "Wenn du immer nur auf einen 'plan' wartest, kümmerst du dich nicht ausreichend um deinen Acker. Vielleicht sollte ich lieber Feuerholz sammeln, anstatt hier rumzusitzen." Die beiden Männer berichten mir von dem Nutzen, den die Bohrstation der Region gebracht hat. Es gibt die Gesundheitsstation, aber gewöhnlich bekommen die Patienten dort keine Medikamente, sondern nur Rezepte. BASIC hat eine Grundschule gebaut, aber das Dach ist schon fast eingefallen. Vor einigen Jahren haben der Gemeinderat und die Unternehmensführung die Übereinkunft getroffen, dass der Konzern den Anwohnern Strom- und Wasserleitungen legen wird, aber nur wenige Familien wurden wirklich ausgestattet. UmweltverschmutzungAls ich von meinen Beobachtungen berichte, wie sehr sich der Konzern um den Umweltschutz bemüht, reagiert Cristobal Peréz verärgert: "In der Nähe vom Bohrloch 102 gibt es einen überschwemmten Brunnen. Er liegt versteckt im Wald. Die Chefs aus der Hauptstadt kommen nie dorthin. Während der Regenzeit wird das Öl überall hingespült. Das Flusswasser wird verseucht. Leute, die flussabwärts wohnen, trinken dieses Wasser. Aber die vom Umweltschutzprogramm kümmern sich nicht darum." Nach oben |
Ich bin überrascht: "Sie sagen, hier in der Nähe sei eine ölverschmutzte Stelle?" Cristobal Peréz bestätigt: "Ja, keine zwei Kilometer entfernt. Aber der Zugang ist schwierig." Ein Pfad führt von der Strasse bis zu dem Bohrloch 102. Es gibt dort weder einen Zaun, noch ein Schild, das den Zugang verbietet. Der Platz sieht genauso aus wie die Bohrlöcher in Xan: alles sauber, viele kleine Bäumchen. Ein Schild bezeichnet diesen hübschen Garten als: "Ökologischer Park #2, der Hase". Man muss bis zum Ende des Parks gehen, wo der Weg aufhört. Danach geht es weiter durch den dichten Dschungel. Die Pflanzen sind nass vom Regen der Nacht. Ameisen krabbeln in meine Stiefel. Moskitos attackieren meinen Hals. Grelle Sonnenstrahlen scheinen auf ein intensives Grün, das nur ab und zu von roten und gelben Blumen unterbrochen wird. Doch plötzlich tauchen schwarze Flecken auf dem Waldboden auf. Einige sind klebrig wie Kaugummi, andere hart wie Asphalt. Ich kann nicht weitergehen, ohne meine Kleidung mit Öl zu verschmieren. Schilfblätter voller Öl ragen meterhoch. Das Wasser der vier Tümpel und des kleinen Sees ist schwarz. Die Vögel zwitschern, aber nur die Vögel. Am Boden lebt kein Tier, nur Insekten. Der See ist tot, keine Fische, keine Frösche. Mindestens zwei Hektar sind bedeckt mit schwarzem Gift. Was vor mir liegt widerspricht all den schönen Worten, die mir die Verantwortlichen von BASIC RESOURCES gesagt haben. Die Verschmutzung ist nicht neu. Die Stelle ist schon seit über vierzehn Jahren verseucht. Seither hat sich niemand darum bemüht, den Boden zu säubern. Ich mache Fotos von einer ölverschmierten Bucht, von scheusslichen Flecken auf den Bäumen und von schwarzem Gras. Meine Stiefel rutschen ab. Ich stehe in stinkendem Wasser. Meine Knie werden weich. Ich entscheide mich, sofort in die Hauptstadt zurückzukehren, um die Fotos in Sicherheit zu bringen. Der Rückweg scheint endlos. Es regnet. Während der achtstündigen Fahrt muss ich ständig an die grosse Lüge des Konzerns denken. Ich werde mit einer Videokamera zurückkehren, um mehr Beweise zu haben. Wie im KrimiZwei Tage später bin ich wieder in Rubelsanto. Die Atmosphäre hat sich verändert. Die Verwalter der Förderstation haben von meinen Recherchen erfahren. Ein Wachposten steht am Eingang des Bohrlochs 102. Autos fahren hin und her. Offenbar haben sie begonnen, die Verschmutzung zu säubern. Das wird einige Tage lang dauern. Jedenfalls kann ich nicht mehr zurück zu den Tümpeln. Mir ist schwindelig, ein wenig Fieber. Ich gehe noch einmal zu der Gesundheitsstation. Der Krankenhelfer Manuel Estrada ist nicht mehr da. An seiner Stelle öffnet mir ein Arzt mit grimmigem Blick. Wir sprechen über die Krankheiten in der Region. Er will seinen Namen nicht sagen und schon gar kein Interview vor der Kamera geben. Stattdessen beginnt er, mich auszufragen: "Wie heissen Sie?" "Für wen arbeiten Sie?" "Haben sie eine Erlaubnis hier zu recherchieren?" Ich nenne ihm meinen Namen und sage, dass ich ein selbständiger Journalist aus Deutschland bin. Eine Erlaubnis, um durch den Wald zu gehen oder mit den Menschen in Rubelsanto zu sprechen, brauche ich wohl nicht. Ich möchte gehen, aber der Arzt verwickelt mich in eine Diskussion. Plötzlich tauchen zwei Herren von der Unternehmensverwaltung auf. Auch sie möchten ihre Namen nicht nennen. Aber sie sind freundlich. Sie bieten mir ihre Unterstützung an, weil es besser sei, wenn ich mit ihnen direkt spreche, anstatt "dritte Personen" zu interviewen. Ich bedanke mich und wir vereinbaren, dass ich sie am nächsten Morgen aufsuchen werde. Die Leute in der Siedlung wollen mir keine Interviews mehr geben. Alle wissen, dass mir Cristobal Peréz von der Verschmutzung berichtet hat. Einer seiner besten Freunde möchte nicht mehr mit ihm sprechen. Er ist wütend, weil Cristobal seiner Meinung nach "la compañía" verraten habe. Die Verantwortlichen von BASIC RESOURCES haben mehreren Personen Arbeit gegeben, mit der Auflage, dass sie mit niemandem über die Säuberungsaktion sprechen. Ich bin auf dem Weg nach Playitas, wegen des Zimmers. Plötzlich überholt mich ein Wagen von BASIC und versperrt mir den Weg. Ein Mann steigt aus. Er lacht mich an: "Ein Freund möchte mit Ihnen sprechen." Ich wusste nicht, dass ich Freunde im Dschungel habe. Er reicht mir ein Telefon. In der Leitung ist Rodolfo Sosa. Der Präsident von BASIC RESOURCES macht sich den Aufwand, mich im Urwald aufzustöbern! Das letzte Mal musste ich rund zwanzig Mal anrufen, um ein Interview mit ihm zu bekommen. Diesmal scheint er nervös zu ein. Er möchte mir "einige Dinge erklären". Er sagt, die Station von Rubelsanto sei älter als die von Xan. Früher hätten andere Unternehmen hier gearbeitet. Jetzt bemüht sich seine Firma darum, die Verschmutzung zu säubern, die die anderen zurückgelassen haben. Ich schlage vor, dass ich ihn gleich nach meiner Rückkehr in die Hauptstadt anrufen werde. Er hält das für eine gute Idee. Ich möchte ihn fragen, warum so viele Jahre vergehen mussten, bevor das Unternehmen endlich mit dem Saubermachen begonnen hat. Der Mann von BASIC bietet mir eine Unterkunft in den Wohnblöcken der Förderstation an. Ich willige ein, um nicht noch mehr Besorgnis zu erregen. Aber zuerst fahre ich nach Playitas. Ich möchte den nahegelegenen Fluss Chixoy filmen. An den Holzwänden der Hütten ist deutlich zu sehen, dass das Hochwasser während der Regenzeit das ganze Dorf versenkt hat. Das Wasser ist bis zu den Dächern gestiegen. Jedes Jahr müssen die BewohnerInnen ein paar Tage lang anderswo unterkommen, während sich das Öl der verschmutzten Bohrlöcher über ein riesiges Gebiet ausbreitet. Es wird dunkel. Ich besuche das schäbige Bordell vor den Wohntrakten von BASIC. Die Frauen wissen wer ich bin. Sie behandeln mich freundlich. Wir sprechen über das Unternehmen. Sie sagen, sie seien in den Urwald gekommen, weil sie in ihrem Gewerbe gut an den Männern von BASIC verdienen. Der Doktor kontrolliert die Tür. Er stellt sicher, dass an diesem Abend keiner der Angestellten des Konzerns in die Spelunke kommt. Niemand soll mit mir sprechen. Öliges WasserEin kleiner Junge kommt zu mir an die Bar. Er sagt, dass vor der Tür ein Mann auf mich wartet. In der Dunkelheit erkenne ich eine dunkelhäutige, muskulöse Gestalt - Typ Leibwächter. Er nennt keinen Namen, sagt mir aber, dass er in Rubelsanto lebt. Er erwähnt weitere verschmutzte Stellen und erklärt, er sei froh über meinen Besuch. Nach und nach fasse ich Vertrauen. Wir verlassen die Strasse und unterhalten uns an einem geschützten Ort. Jetzt berichtet er: "Es hat Sitzungen gegeben, in denen über Sie gesprochen wurde. Man will mit Ihnen reden, um zu sehen, ob sich eine Lösung finden lässt, damit alles wieder ruhig wird. Das ist immer so. Wenn jemand kommt und eine Untersuchung macht, dann kaufen sie ihn sich." Er erklärt mir den Weg zu einer anderen verschmutzten Stelle. Am nächsten Morgen stehe ich vor Morgengrauen auf, lange bevor die Arbeiter in den Wohntrakten aufwachen. Der Wachposten am Eingangstor lässt mich raus. Die Strasse ist leer. Das Dorf ist dunkel. Ich fahre den beschriebenen Weg bis in die Nähe vom Bohrloch 101. Diesmal ist der verseuchte Tümpel nicht weit entfernt von der Strasse. Die aufgehende Sonne erlaubt es mir, das ölige Wasser zu filmen. Der Waldboden in der Umgebung ist bedeckt von einer dicken schwarzen Schicht. Es stinkt nach Benzin. Die Moskitos sind begeistert. Sie bedecken mich mit Stichen. Der Boden hier ist seit den ersten Bohrungen verseucht, seit über zwanzig Jahren. In nur wenigen Metern Entfernung führt eine Pipeline an dem Tümpel vorbei. Ich kann nicht glauben, dass keiner der Verantwortlichen des Umweltschutzprogramms und kein Beauftragter des Energieministeriums diese Verschmutzung je gesehen hat. Ich jedenfalls habe innerhalb weniger Minuten genug gesehen. Ich gehe zu dem Haus des Mannes, um ihm zu danken. Danach möchte ich sofort abfahren. Er besteht darauf, mich zu begleiten: "Die Chefs sind wütend. Sie sind sehr böse darüber, dass du das Öl gesehen hast. Du musst auf dich aufpassen. Es ist gefährlich." Die Leute im Ort haben erfahren, dass er mit mir gesprochen hat. Er möchte, dass ich seinen Namen in meinem Artikel nenne, damit ihm die Öffentlichkeit einen gewissen Schutz bietet. Alfredo Ramirez fährt mit mir mit, bis wir das Gebiet verlassen haben, das von "la compañía" kontrolliert wird. Dann verabschieden wir uns. Auf der Fahrt in die Hauptstadt denke ich über das Geschehene nach. Ich habe die Verschmutzung nahe der Bohrlöcher 101 und 102 von Rubelsanto gesehen. Offenbar gibt es noch mehr. Die Umgebung der Bohrlöcher 103, 104, 107, Tierra Blanca und Caribe müssten untersucht werden. Des weiteren habe ich erfahren, dass BASIC in einigen alten Bohrlöchern einen zweiten Brunnen gebohrt haben soll. Die Rohre sind unterirdisch umgeleitet worden, so dass es schwierig ist, den zweiten Brunnen zu entdecken. So kann der Konzern Öl fördern, für das er keine Steuern zahlt. In dem Bohrloch 107 gibt es womöglich einen zweiten Brunnen, von dem die Regierung nichts weiß. Ich habe gehört, dass vor einiger Zeit die Leiche eines Kontrolleurs des Energieministeriums am Ufer des Rio Chixoy gefunden wurde. Der Mord wurde nie aufgeklärt. Ich bin besorgt um das Wohlergehen meiner InformantInnen und ihrer Familien. Sie sind mutige Menschen und VerteidigerInnen der Wahrheit. |
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